Nationaler Kombiverkehr von 1969 bis 2019

Jan Trappel (ehemaliger Eigentümer der Hamburger Spedition und Kommanditist der Kombiverkehr GmbH & Co. KG), berichtet hier aus der Praxis heraus, über die Entstehung und Entwicklung des unbegleiteten Bahnverkehrs mit Sattelaufliegern und Wechselbrücken - genannt Kombiverkehr, sowie des begleiteten Bahnverkehrs - genannt Rollende Landstraße oder beides auch als Huckepackverkehr bekannt.

Wie der Fernlastzug in Deutschland auf die Schiene ging um die Straße zu entlasten.

In den 50er Jahren experimentierte die Deutsche Bundesbahn noch mit der Verladung eigener LKW-Anhänger.

Mit dem Wirtschaflichen Aufschwung, Mitte der 1960er-Jahre, wurden immer mehr Waren produziert. Der Bedarf an Laderaum auf der Schiene und Straße nahm ständig zu.

Wirtschaftsgüter sollten schnell, zuverlässig und preiswert auf den Markt und zu den Verbrauchern gelangen. Vor allen Dingen schnell!

Leider war der Einzelwaggonverkehr mit der Bundesbahn im Vergleich zum Lastkraftwagen recht umständlich und zeitintensiv. Vor allen Dingen, wenn der Verlader (Lieferant) über kein Anschlussgleis verfügte, um direkt in den Waggon zu laden.

So wurde die Ware per Werks-LKW zum Güterbahnhof befördert. Dort wurde die Ware in den, auf dem Freiladegleis bereitgestellten, Waggon verladen.

Dazu benötigte man eigenes Personal oder man beauftragte ein Rollfuhrunternehmen mit der Umfuhr und die Beladung des Waggons.

In Industrieregionen setzte die Bahn den Culemeyer-Straßenroller ein. Mit diesem Spezialanhänger wurde ein Waggon auf der Straße, mittels schwerer Zugmaschine, von Kaelble oder Faun, zum Lager des Verladers oder Empfänger gebracht. (Siehe Bericht über die Ottenser-Industriebahn)

Dieser Vorlauf und Nachlauf zum/ab Bahnhof, das zweimalige Umladen verursachte zusätzliche Kosten und das Schadensrisiko an der Ware vergrößerte sich.

Der Fernlastzug kann die Wagenladung direkt im Werk übernehmen. Der Kraftfahrer überwacht dort das Verladen und achtet auf ordnungsgemäße und verkehrssichere Verladung. Es entstehen keinerlei Vor- und Nachlaufkosten. Außerdem steht die Ware am nächsten Tag beim Warenempfänger.

Heute Versand und morgen zur Hand...Werbespruch des Güterfernverkehrs

Alle Güter gehören auf die Bahn...Werbespruch des Verkehrministeriums und der Bahn

Seit 1956 wurde im Verkehrsministerium versucht, den Güterfernverkehr auf der Straße zu Gunsten der Bahn zurück zu drängen. Es sollten die bestehenden Lastzuglängen von 18 auf 16 Meter verkürzt werden. Ohne Erfolg. Das Bundeskabinett bestand weiter auf die im Gesetz festgelegten 18 Metern. Ganze 5 Jahre stritt das Kabinett über das für und wider. Der Güterfernverkehr konnte keine Investitionen im Fuhrpark vornehmen.

Endlich! Am 8.März 1961 einigte man sich!

Im Gesetzblatt stand:

           A. Abmessungen von Lastzügen   18 Meter

           B. Achslasten                                     Einzelachse 10 to.

                                                                         Doppelachse 16 to.

           C. Gesamtgewicht von Fahrzeugen mit nicht mehr als:

                           1.                                           2 Achsen 16 to.

                           2.                         mehr als 2 Achsen 24 to.

Da die Transportkapazitäten des Güterfernverkehrs auch noch durch Konzessionen beschränkt war, musste sich die Transportwirtschaft etwas einfallen lassen.

So wurde 1964 bis 1969 eine Arbeitsgemeinschaft Huckepackverkehr tätig, bestehend aus Mitgliedern des -

            Bundesverbands des Deutschen Fernverkehr (BDF) Frankfurt/M.,

            Bundesverband Spedition und Lagerei (BSL) Bonn,

            der Deutschen Bundesbahn und

            dem Bundesverkehrministerium.

In diesem Gremium wurden sich Gedanken darüber gemacht, wie Mehr-Tonnage, bei staatlich gewollten Kapazitätsbeschränkungen, auf der Schiene befördert werden könnten.

Es wurden die Transportmöglichkeiten von unbegleiteten Lastzügen, BDF-Wechselbrücken und Sattelaufliegern auf Waggons geprüft.

Verkehrsaustellung in Essen 1960 - es waren noch die gleichen Waggons, wie bei den Anhänger-Versuchstransporten.

Lastzüge wurden probeweise auf Flachwaggons verladen - so wie Zirkuszüge.

1968 erfolgten Versuchstransporte mit Niederflurwaggons der ÖBB, die sogenannte "Rollende Landstraße". Be- und Entladung erfolgt über eine Rampe. Für die Fahrer wid ein Liegenwagen im Zug mitgeführt.

Die, vom BDF entwickelten, Wechselbrücken wurden auf Flachwaggons durch Containerkräne mit Stahlseilen verladen. Für Sattelauflieger entwickelte die Bahn Spezial-Tiefladenwagen, die mit kleinen Rädern ueiner teilweise absenkbaren Ladeplattform für die Räder. So erreichten die Ingenieure bei einer Schienenoberkante von ca. 380 mm eine Eckhöhe für den Sattelauflieger von 3,55 m.

Jeder Waggon konnte einen Sattelauflieger mit 27 to. Gesamtgewicht (20 to. Nutzlast) aufnehmen und mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h befördern.

Am Ende der Geneigten Wippe erreichten die Sattelauflieger die benötigte Transporthöhe bei einer Schienenoberkante von 41 cm. Durch Absenken der Stützbeine des Aufliegers wurde die waagerechte Position auf dem Waggon erreicht.

Ein Waggon vom Typ Laas-z608.

Um eine Wagengruppe auf dem Terminal zu beladen, mussten die Wippen der Waggons waargerecht gestellt werden und mit Überladeklappen zu einer Durchgehenden Fahrstraße verbunden werden.

So konnten die Sattelzüge rückwärts die Waggons befahren, um an die Versandposition zu gelangen. Dort wurde der Auflieger, mit dem Aggregat auf der schrägen Wippe, abgesattelt und die Zugmaschine konnte solo von den Waggons fahren.

in einigen Bahnhöfen wurden die Waggons nicht über eine Rampe, sondern seitlich befahren.

Hier ging allerdings etwas schief - der Fahrer des vorderen Sattelzuges hilft seinem Kollegen, mit einem Seil, wieder auf den rechten Weg.

Das Bundesbahnzentralamt (BZA)  Minden testete die einzusetzenden Waggons auf die gewollte D-Zuggeschwindigkeit von 120 km/h.

Mit Koffer- und Kühlfahrzeugen gab es wenig Probleme an den Seiten- und Hecktüren. Durch verbesserte Türverschlüsse konnten sie schnell gelöst werden.

Aber bei Plane-Spriegel-Fahrzeugen mussten die Planenverschlüsse einen enormen Winddruck bei Begegnungen der schnellen Güterzüge standhalten. Diese Schnellfahrversuche fanden in Italien, mit bereit gestelltem Fuhrpark der Arbeitsgemeinschaft, statt. Manche Plane flog den Akteuren um die Ohren und so lernte man aus Fehlern.

Nach Verbesserungen der Waggons und Erarbeitung der Vorschriften über Planenverschlüsse an den, im Kombiverkehr eingesetzten Sattelaufliegern, standen Ende 1965 119 zweigliedrige Einheiten mit 238 Standplätzen für das Huckepacknetz zur Verfügung.

Zug während des Probebetriebs mit Sattelauliegern.

Jetzt musste den Straßen-Transportunternehmen nur noch schmackhaft gemacht werden, zusätzliche Transportmengen auf die Schiene zu bringen.

Versandauftrag für den Kombiverkehr.

Solange jedoch im Fernverkehr konzessionierte Fahrzeuge auf der Straße rationeller und rentabler eingesetzt werden können, kann der Huckepackverkehr für die Transportunternehmen nur dann wirtschaftlicher sein, wenn Kostenersparnis für Personal, Treibstoff, Öl etc. Vorteile bringen.

Die, von der Bahn für solche Transporte zur Verfügung gestellten, Sondertarife (Katteneser Sätze) galten nur für Verladungen von Fahrzeugen des gewerblichen Güterfernverkehrs auf Waggons.

Bei einer Ausweitung ohne Konzessionseinsatz auf Nah- und Werkverkehr befürchtete die Bahn eine Abwanderung von ihrer Ladung auf die Huckepackverkehre.

Die Straßentransporteure wurden angehalten, bei den Kunden verstärkt für den neuen Weg über die Schiene zu werben.

Die Verlader sind grundsätzlich immer an günstigeren Transportpreisen interessiert, eine gute Leistung wird dabei vorausgesetzt.

Aber wie soll die Kapazitätshürde zwischen Straße und Schiene, bei verordneten Tarifen und dem Konzessionseinsatz, überwunden werden?

Wenn die Bahn und das Verkehrsministerium weiterhin darauf bestehen, musste ein Kompromiss gefunden werden!

1969 wurde eine gute Lösung gefunden.

Sie entsprach der theoretischen Einsatzzeit einer Konzession innerhalb von 24 Stunden im Güterfernverkehr.

So konnten bei eine Entfernung von

                                        bis zu 500 km 3 Sattelauflieger oder 6 Wechselbbrücken

                                        bis zu 650 km 2 Sattelauflieger oder 4 Wechselbrücken

                                        bis zu 800 km 1 Sattelauflieger oder 2 Wechselbrücken

auf Waggons verladen werden.

Voraussetzung hierfür, war die Hinterlegung von roten Güterfernverkehrskonzessionen am Abfertigungsbahnhof für die Dauer des reinen Schienentransports ohne Rangierzeiten.

Bei Dauerhinterlegung am Bahnhof erhielt der Nutzer ein Punktekontingent, von dem jeder Transport entsprechend der o.g. Regelung abgebucht wurde.

Am 11. Februar 1969 wurde die Kombiverkehrsgesellschaft, unter Federführung von Verkehrsminister Georg Leber, als Kommanditgesellschaft gegründet.

56 Straßentransportbetriebe und Kraftwagenspeditionen wurden als Kommanditisten ins Handelsregister Frankfurt/Main eingetragen.

Beteiligt sind der Bundesverband des Deutschen Güterfernverkehr (BDF) und

der Bundesverband Spedition & Lagerei (BSL) mit 50 Prozent und

die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) = (DB) mit 50 Prozent.

Am 1. Juli 1969 erfolgte die erste Verladung der Kombiverkehr KG ab Frankfurt/M-Ost nach Hamburg-Rothenburgsort.

Warten auf den Zug in Hamburg-Rothenburgsort.

Diese Verbindung v.v. ist Bestandteil der Linie 2. Sie verbindet Mannheim und Frankfurt/M mit Hannover, Bremen und Hamburg.

Die neuen Wippenwaggons mussten noch mit Sattelaufliegern beladen werden.

Eine große Geschicklichkeitsprüfung der Fahrer vor dem Festpublikum.

Rückwärts den Sattelzug über eine bewegliche Auffahrrampe auf die Waggons fahren und über alle zusammengekoppelten Waggons bis zur Verladeposition schieben und auf der schrägen Wippe abstellen.

Jetzt kam "Trimm-Dich" dazu:

Den beladenen Auflieger zum Absatteln hochkurbeln. Zugmaschine unterrausfahren.

Den, auf dem Waggon befindlichen, zusammengeklappten Stützbock auf stellen und zum Königszapfen vom Auflieger heraufkurbeln, damit der Zapfen einrasten kann. Danach die Stützen des Aufliegers eindrehen.

Die Befestigung der Sicherungsketten zwischen Waggon und Sattelauflieger wurde vom Bahnpersonal vorgenommen und vom DB-Wagenmeister geprüft.

Fahrplanmäßig um 20:00 Uhr fuhr der Güterzug aus dem Terminal Frankfurt/M-Ost.

Natürlich fuhr der Zug nicht nur mit Sattelaufliegern. Es wurden auf dem Rangierbahnhof Frankfurt/M, die mit Wechselbrücken der Kombiteilnehmer beladenen, Flachwaggons, angehängt.

Die Reise ging über Fulda, Bebra, Göttingen, Hildesheim, Hannover, Celle, Uelzen nach Hamburg.

Der erste Kombiverkehrszug kam fahrplanmäßig um 4:00 Uhr im Verschiebebahnhof Hamburg-Wilhelmsburg an und konnte pünktlich um  6:00 Uhr im Terminal Hamburg-Rothenburgsort zur Entladung bereitgestellt werden.

Bereitstellung der Auffahrrampe.

Dann begann die Abholung mit dem Geschicklichkeitsfahren über die Waggons mit anschließendem "Frühsport" für den Kraftfahrer.

Erst einmal rückwärts mit der Zugmaschine auf die Waggonstraße bis zu dem entsprechenden Sattelauflieger fahren. Danach kurbelte der Fahrer die Stützbeine des beladenen Aufliegers hoch, um auf Aufsattelhöhe zu gelangen. Den Stützbock auf dem Waggon herunterkurbeln und umklappen, damit er überfahren werden konnte. Jetzt den Auflieger auf die Zugmaschine satteln und über die Waggonstraße und Abfahrrampe den Zug verlassen.

Applaus für die Leistung der Kraftfahrer!

Es dauerte nicht lange und für die gesamten Kurbelarbeiten wurden große elektrische Bohrmaschinen auf den Terminals für die Fahrer bereitgestellt.

Der erste Kombiverkehrszug war ein voller Erfolg für die Bahn und die Straßentransporteure.

Die Empfänger erhielten in der Stadt ihre Waren wie auf der Straße gewohnt, um 7:00 Uhr entladebereit, an den Rampen.

Die Entladung der Waggos mit BDF-Wechselbrücken war für die Fahrer einfacher. Sie wurden auf dem Terminal vertikal, mit einem Portaltkran vom Flachwaggon auf den Lastzug verladen. Nach dem Lösen der Eckverriegelungen vom Bahnpersonal wurden die Brücken mit Greifzangen des Spreaders gepackt und auf Chassis und Lafette umgesetzt. Durch schließen der Eckverriegelungen vom Fahrer ware die Brücken verkehrssicher verladen und konnten zu den Empfängern fahren.

Geschicklichkeit der Fahrer wurde an anderer Stelle geprüft.

Sie mussten die Wechselbrücken auf jeweils vier Stützbeinen bei Kunden oder Spediteuren abstellen und das Chassis unterrausziehen. Das gleiche mit dem Anhänger wurde schon schwieriger.

Eine der ersten Wechselbrücken.

Aber den Motorwagen und Lafette in einem Arbeitsgang unter den abgestellten Brücken heraus zu ziehen, wurde schon spannender.

Wurde gegen ein Stützbein gefahren, lag der Wechselkasten im Hof. Mit oder ohne Ware.

Jetzt das gleiche Spiel umgekehrt.

Zwei auf Stützbeinen stehende, Wechselbrücken mit Motorwagen und Lafette in einem Arbeitsgang rückwärts unterfahren und aufnehmen!

Der Fahrer konnte schon im Varieté oder in einer Fernsehshow aufreten.

Verladung von Wechselbrücken mit Portalkran und Greifzangen.

Die nächste Verlademöglichlkeit von Fernlastzügen auf der Schiene war die "Rollende Landstraße". Diese verkehrte täglich innerdeutsch ab

          Neumünster nach Bischofsheim/Mainz v.v. und von

          Köln und Ludwigsburg/Stuttgart v.v. im Pendelverkehr.

Auffahren auf die Rollende Landstraße, im Hintergrund ein Sattelauflieger in Verladung für den Kombiverkehr - bereits mit Portalkran, aber noch mit Stahlseilen.

So wurde die Autobahn von täglich 80 Lastzügen entlastet, während die Fahrer im Liegewagen schliefen oder ruhten. Die Zeit im Waggon gilt als Ruhezeit und die Fahrer können ihre Tages-Lenkzeit am Zielbahnhof beginnen.

Die Beladung erfolgt auf Niederflurwaggons. Die Fahrer lenken ihre Fahrzeuge auf die Waggons bis zum vorgesehenen Stellplatz. Dort wurde das Fahrzeug mit Keilen gesichert. Der Fahrer stieg aus und in den Liegewagen ein.

Hannover-Messe 1969

1969 begann die Zeit der partnerschaftlichen Zusammenarbeut zwischen Schiene und Straße.

Leider war eine gleichmäßige Auslastung der Kombizüge in beiden Richtungen nicht gegeben.

Ursache hierfür sind die nicht immer gleichmäßigen Warenströme von Wirtschaft und Handel und die saisonalen Verschiebungen der Ladungsmengen in Urlaubszeiten, Weihnachten und Ostern. So blieben auf dem Zug leere Stellplätze in beiden Richtungen.

Wenn zu viele beladene Ladungsträger (Auflieger und Wechselbrücken) in eine Richtung verladen werden, muss in der Gegenrichtung für Parität gesorgt werden. Wenn nicht, fehlte auf dem anderen Ende Laderaum für die Rückbeladung.

Hierfür leere Ladeeinheiten zum vollen Frachtpreis mit zu verladen, ist wirtschaftlicher Unsinn und gefährdet das System der Verlagerung von Ladung von der Straße auf die Schiene.

Es wurde also in beiderseitigem Interesse ein Ausgleich geschaffen.

Daher wurde zur Deckung der Grundkosten des Kombiverkehrs und Erhöhung der Attraktivität, Sondersätze für leere Sattelauflieger und Wechselbrücken angeboten. Diese Tarife sorgten dafür, dass die Kombipartner paarige Verkehre sicherstellten.

Um die Containertransporte aus Übersee für den innerdeutschen Schienentransport zu sichern, hatte die Deutsche Bundesbahn mit den Reedereien entsprechende Verträge geschlossen.

Diese Verträge regelten, dass der Versand von Containern auf der Schiene, ausschließlich mit der DB-Tochter "Transfracht" erfolgen musste. Die privatrechtliche Kombi-Verkehrs KG wurde dadurch ausgeschlossen.

Wenn die Versandvorschrift "frei Haus" es vorschrieb, die Container über die Straße zu befördern, mussten diese Transporte auf reedereieigenen Chassis erfolgen. Welche Reedereien hatten schon eigene Chassis?

Lastzug mit Chassis einer Reederei im Containertransport.

Viele Seehafenspediteure hatten Logistik-Verträge mit Versandhäusern, die die gesamten Importe inklusive Zollabfertigung bis zum Zentrallager in Deutschland abdeckten.

Diese waren mit dem DB-Vertrag überhaupt nicht einverstanden.

Nach dem Motto "dem Speditör ist nichts zu schwör", wurden Möglichkeiten gefunden.

Eine Idee wurde vom Hausspediteur der Firma Quelle, Wetzel & Künn, Hamburg/Nürnberg, für 20 Fuss-Container ausgearbeitet und umgesetzt. Das sogenannte trojanische Pferd.

Der Container wurde auf eine Wechselbrücke von Wetzel & Künn geladen und mit einer Plane, wie ein Cabrio-Dach, abgedeckt, Das Planenverdeck war natürlich von der DB geprüft und für den Schienenverkehr zugelassen.

Bei der Anlieferung der Wechselbrücke mit einer großen Kiste (Container) auf dem Huckepack-Terminal zur Verladung nach Nürnberg, wurde diese nicht zur Verladung angenommen. Auch wenn der Container nicht sichtbar war. Wer hat hier die Info gegeben?

Der Fall ging vor Gericht. Die Bahn und Kombiverkehr einigten sich darauf, dass Container die auf Spediteur-Wechselbrücken verladen wurden, nicht unter den Vertrag fallen.

1984 vergab das Verkehrsministerium zur weiteren Förderung des Kombiverkehrs, KFW-Fördermittel, um den Straßenverkehr um weitere 500.000 LKW-Fernfahrten zu mindern. Dieses Geld wurde unter anderem auch von vielen Transportunternehmen für die Beschaffung von kranbaren Sattelaufliegern genutzt.

Kranbarer Sattelauflieger der Firma Hamburger Spedition, bei denen sich der Koffer als Wechselbrücke entfernen und dann das Chassis für Containertransporte verwenden ließ.

Kombiverkehrzug mit Containern, Wechselbrücken und Sattelauliegern.

Je mehr Unternehmen ihre Ladeeinheiten über die Schiene verluden, desto länger wurden die Verladezeiten auf den Terminals. Investitionen in Sattelauflieger mit Krantaschen verkürzten die Verladevorgänge deutlich, denn die Verladezeit mit Portalkran wurde deutlich verkürzt.

Auch riesige Stapler, genannt Piggy Packer, wurden in sehr stark frequentierten Terminals zur Beschleunigung der Be- und Entladung eingesetzt.

Es waren übergroße Gabelstapler mit einer Hubkraft von 40to., die statt der Gabel, mit Greifzangen in die Krantaschen der Wechselbrücken oder Sattelauflieger griffen und auf die Waggons setzten.

Die Verladung der Sattelaauflieger ohne Greifkanten erfolgte weiterhin. Es galt eine Auslauffrist für Wippenwagen.

Für die Sattelzugfahrer war das eine große Erleichterung.

Eine weitere Verbesserung brachten die neuen, sogenannten Taschenwagen. Hierauf konnten sowohl Wechselbrücken als auch kranbare Auflieger verladen werden.

Der Name, Taschenwagen kommt daher, dass zwische den Drehgestellen des Waggons, eine abgesenkte Ladefläche, die Tasche, zur Aufnahme des Achsaggregats der Sattelauflieger, geschaffen wurde.

Außerdem konnten Wechselbrücken auf den Rahmen der Waggons geladen werden.

Gesamtansicht des Bahnhofs Hamburg-Rothenburgsort - im Vordergrund wird ein Kesselwagen auf einem Straßenroller zugestellt. Im Hintergrund die Verladung von Sattelaufliegern der Firma Hoyer und Wechselbrücken im Kombiverkehr.

Hier wird gerade ein Sattelauflieger der Firma Hoyer auf einen Wippenwagen geschoben.

Verladung einens Sattelaufliegers in Hamburg-Rothenburgsort bereits mit Portalkran.

Mit dem Portalkran werden Wechselbrücken des Schiffahrts- und Speditionskontors Elbe verladen.

1985 wollte die Bahn den Kombibahnhof Frankfurt/M-Ost den Marktanforderungen anpassen. Da die Gleisanlage in der Mitte durch eine Fußgängerbrücke geteilt wurde, konnten die Portaltkräne mit ihrer Höhe, nicht die normale Zuglängen beladen. Der Zug musste geteilt werden und die Beladung erfolgte in zwei Hälften. Wenn eine Teillänge beladen war, wurde die Hälfte von einer Rangierlok herausgezogen und die zweite Hälfte unter den Kran gestellt.

Leider mussten alle Anlieferer oft auf die Bereitstellung einer Lok für den zweiten Zugteil warten.

Statt das Terminal. wie von der Kombi KG gefordert, an das Verkehrskreuz von Schiene und Straße, nach Mainz-Bischofsheim zu verlegen, wurde das Umschlagterminal Frankfurt/M. modernisiert.

Während der Umbauzeit erfolgte ersatzweise die Verladung im Terminal Bischofsheim bei Mainz.

Hier die Wiedereröffnung von Frankfurt/M-Ost nach Umbau.

1989 Fall der Mauer

1990 begann die Liberalisierung des Güternfernverkehrs in Deutschland und endete 1994 mit dem Fortfall der letzten Güterfernverkehrs-Konzessionen.

Die vorgeschriebenen staatlich verordneteten Tarife zum Schutze der Deutschen Bahn verloren die Gültigkeit. Die Unternehmen des Gütertransportgewerbes und Logistik mussten eine eigene Abrechnungsbasis für die Versandkunden individuell auf eigener Kostenbasis erstellen.

So wurde auch der Kombiverkehr für alle Transportunternehmen im bundesweiten sowie im internationalen Güterverkehr interessant.

So wurde 1992 der Umschlag auf dem Bahnhof Hamburg-Rothenburgsort auch durch Piggy Packer beschleunigt.

Am 1. Januar 1994 wurden die staatliche Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Es sollte erreicht werden, dass die Bahn in eine gewinnbringende Zukunft geführt werde.

Von 350.000 Beschäftigten sollten durch die Bahnreform die Hälfte abgebaut werden und unrentable Strecken stillgelegt werden. Zum Glück verhinderte der Verkehrsminister Peer Steinbrück den Börsengang.

Im Jahr 1994 wurde das neue KOMBI-Terminal Hamburg-Billwerder eingeweiht und das stadtnahe Terminal Hamburg-Rothenburgsort geschlossen.

Anfang 1999 wurden folgende eigenständige AGs unter der Holding Deutsche Bahn AG gegründet:

Schienengüterverkehr: DB-Cargo                               Eisenbahninfrastruktur: DB-Netze

Diese Umwandlung zeigte in den nächsten Jahren im nationalen KOMBI-Netz immer mehr Schwächen. Dabei forderte die Wirtschaft, durch den härteren Wettbewerb, vom Transportgewerbe immer kürzere Versandzeiten, aber die Qualität des Huckepackverkehrs ging im Punkto Pünktlichkeit, immer weiter zurück.

Sammelgüter konnten auf Grund der sich mehrenden Terminsendungen nicht mehr per KOMBIVERKEHR verladen werden. Bei Komplettladungen konnte man Verspätungen von bis zu drei Stunden, wie auf der Straße, noch ausgleichen. Aber wenn der Zug wegen Lokführermangel unterwegs stehen bleibt, ist das nicht mehr zu erklären. So manches Mal musste ein Partner, der seine Sattelauflieger mit moderner Telematik ausgerüstet hatte, der KOMBI helfen den Standort des Zuges zu ermitteln, weil die DB-Cargo keine Auskunft erteilen wollte oder konnte? So begann im Jahr 2000 die Kombiverkehr KG mit eigenen Lokomotiven die Traktion der Kombizüge vorzunehmen.

Bei all diesen Veränderungen wurde der europäische KOMBIVERKEHR immer mehr ausgebaut:

Der nationale KOMBIVERKEHR (Frankfurt/M-Hamburg) mit 500 km Versandweite wurde zu kostenintensiv. Also erfolgte 2019 nach 50 Jahren die Einstellung der Linie.

Der genannte Linienspediteur hat im Jahr 2014 die letzten zwei Sattelauflieger per KOMBIVERKEHR nach Hamburg befördern lassen. Heute erledigt man die Beförderung der Auflieger im Begegnungsverkehr und die Zugmaschinen kommen in der Nacht auch auf ihre Kosten.

Die Kunden stellten fest, dass das tägliche Unfallrisiko auf der Schiene viel geringer war als beim Straßentransport - aber auch auf der Schiene schläft das Unglück nicht!

Am frühen Morgen des 16.12.1977 vergaß der Fahrdienstleiter die Einfahrt für den Schnellzug D 472, vor Einfahrt in den Bahnhof Lüneburg zu stoppen, weil der Güterzug 52122 aus Frankfurt/M. noch auf dem Hauptgleis in Richtung Hamburg im Bahnhof stand.

Glück im Unglück war, dass der Lokführer der E-Lok Br. 103 des Schnellzuges bereits bremste, da sein nächster fahrplanmäßiger Halt in Lüneburg war.

Zusätzlich wurde der Zusammenstoß durch den flexiblen Prellbock, bestehend aus den Waggons des Güterzuges, abgemildert.

Die E-Lok rutschte, durch die Notbremsung, auf den letzten Waggon. Hierauf stand ein, mit Sekt beladener Koffer-Sattelauflieger.

Durch den Aufprall der E-Lok platzte der Aufbau förmlich auseinander und die Sektkartons flogen durch die Luft und krönten den Fahrstand der Lok. Der Rest verteilte sich auf den Bahngleisen.

Dieser Stoß löste eine Kettenreaktion auf dem Güterzug aus,

Der Sattelauflieger wurde aus seiner Ladungssicherung gerissen und schob sich nun auf den nächsten Waggon und auf den nächsten Auflieger. Dieser wiederum wippte durch den Druck in die Stirnwand des nächsten, rückwärts verladenen, Planenfahrzeugs und fiel wieder auf seinen Waggonplatz zurück.

So ging die Druckwelle über den gesamten Güterzug.

Die Auswirkungen auf die Reisenden im Schnellzug mag man sich gar nicht vorstellen. Es gab in den Abteilen ein Gewirr aus Menschen und Gepäck.

Glücklicherweise wurden nur drei Reisende verletzt und sie konnten, nach ambulanter Versorgung im Krankenhaus, ihre Reise verspätet fortsetzen.

Die Gedanken der Geschädigten beim Anblick der Unfallstelle in Stichworten:

Zum Glück keine Toten und Schwerverletzten.

Drei Auflieger in der Weihnachtssaison hin.

Wie reagieren die betroffenen Kunden auf den Schaden?

Kann ein Ersatz rechtzeitig zu den Festtagen geliefert werden?

Wie bekommen wir die losen Flaschen von den Gleisen?

Was verlangen die Sicherheitsvorschriften der Bahn bei der Bergung?

Wie bekommen wir die beschädigten Waggons und Trailer nach Hamburg?


Zum Glück erwiesen sich die Bahntechniker als Praktiker, die nur ein Ziel hatten, die Gleise nach Hamburg, schnellstmöglich wieder frei zu bekommen.

Die, auf den Bildern, erkennbaren drei rollfähigen Waggons wurden zu einem Bergungzug zusammengekoppelt un d nach Sicherung der Ladung bis Hamburg-Wilhelmsburg geschleppt.

Dort wurden die Auflieger per Kran von den Waggons gehoben und mit Zugmaschinen zur Entladung zum Betriebshof geschleppt.

Leider hatten die Kollegen mit den Wechselbrücken weniger Glück ihre Sendungen zu bergen!

Um die anderen, völlig zertrümmerten, Sammelgut-Brücken beschäftigten sich Bergungsunternehmen und Versicherungen noch eine lange Zeit.

Doch war dies der größte Unfall seit 1969 auf der Linie 2 Frankfurt/M.-Hamburg, der den Kombiverkehr und die Bahn traf.

Mit Lastzügen über die Straßen zu fahren, ist sicher Gefahren geneigter.

Wir danken Jan Trappel, als Zeitzeuge, für diesen ausführlichen Bericht zu 50 Jahre nationaler Komiverkehr in Deutschland!


Besonderer Dank für die Veröffentlichungsrechte der Bilder geht an:

Jan Trappel

Stefan Carstens

Stiftung Eisenbahnmuseum Bochum Mc

Eisenbahnstiftung Joachim Schmidt

Familie Petzold Sammlung Gunter Petzold

Pedro Montoya

Deutsche Bundesbahn

Kombiverkehr KG


Text:

Jan Trappel